Schwitzhütten: Reinigung von Körper, Geist und Seele

Schwitzhütten: Reinigung von Körper, Geist und Seele

Mancher mag beim Wort „Schwitzhütte“ an so etwas wie eine finnische Sauna, eine russische Banja oder eine ähnlich schweißtreibende Einrichtung denken, eine Einrichtung, die in erster Linie dafür bekannt ist, dass sie durch den schlichten Wechsel von heiß und kalt das Immunsystem unseres Körpers trainiert und stärkt. Dabei stellt die Schwitzhütte eigentlich etwas dar, das weit über jeden vordergründigen Gesundheitsaspekt hinausgeht, denn sie ist eine der ältesten Zeremonien der Menschheit. Praktiziert wurde sie in allen Teilen der Welt, übrigens auch bei den Kelten, Germanen und Slaven. Nur ist die Erinnerung daran bei uns und in den meisten anderen Teilen der Welt verloren gegangen. Die nordamerikanischen Ureinwohner – die Native Americans in den USA und die First Nations in Kanada – haben Schwitzhütten bis heute bewahrt. Ihnen verdanken wir das Wissen, das uns erlaubt, Schwitzhüttenzeremonien wieder in unseren Alltag zurückzuholen und durch sie vieles, was in uns ist, heilen zu können.

Schwitzhütten haben viele Gesichter

Die bekannteste Schwitzhüttenzeremonie ist wahrscheinlich jene nach der Lakota-Tradition. Viele der im deutschsprachigen Raum angebotenen „Sweats“ – so werden Schwitzhütten oft abgekürzt genannt – lehnen sich an die Überlieferungen der Lakota an. Die Gründe, eine Sweat anzubieten oder an einer teilzunehmen, sind so vielfältig wie die Teilnehmer und Schwitzhüttenleiter selbst. Es ist keineswegs so, dass in einer Schwitzhütte nur geschwitzt wird – schon gar nicht nackt. Eine Schwitzhütte ist ein Ort der Rückkehr zum Ursprung des Seins und des Mensch-Werdens, ein Ort der Begegnung mit dem eigenen inneren Kern und der Verbindung mit sich und der geistigen Welt. Dankbarkeit, Bitte und Gebet greifen hier ineinander, dürfen zum Ausdruck gebracht und geteilt werden.

Der Ursprung der Schwitzhütte

Von Tom Brown jr. wissen Wir – Kinder der Erde, dass die Anfänge der Schwitzhütte vermutlich mit der Reinigung des Körpers in Vorbereitung der Jagd in Verbindung standen. Damals soll man versucht haben, durch intensives Schwitzen den Körpergeruch zu neutralisieren, um sich nahe an potenzielle Beutetiere heranschleichen zu können. Im Laufe der Zeit soll die Schwitzhütte dann immer mehr spirituellen Bezug bekommen und sich zu jener Zeremonie weiterentwickelt haben, die wir heute kennen. So sollen die Jäger in der Schwitzhütte zunächst begonnen haben, sich mental mit den Tiergeistern zu verbinden und um Jagdglück zu bitten. Irgendwann ging man aber nicht nur im Vorfeld einer Jagd in die Schwitzhütte, sondern auch vor und während des Sonnentanzes, zu den Visionssuchen, vor wichtigen Entscheidungen, um für die Gemeinschaft zu beten, Trost und Unterstützung zu finden oder zu geben oder den Segen der spirituellen Wesen zu erbitten.

Viele indianische Gemeinden haben bis heute eigene Schwitzhütten oder auch Familienschwitzhütten. Es gibt Männerschwitzhütten und Frauenschwitzhütten. Bei manchen Stämmen gehen Männer und Frauen grundsätzlich getrennt in die Schwitzhütte, bei anderen gemeinsam oder mal so mal so. In Schwitzhütten, die nach den Traditionen der Natives stattfinden, ist man niemals nackt – Sweats, in die man unbekleidet geht (wie bei uns in die Sauna beispielsweise) werden deshalb von manchen etwas spitzzüngig „Hippie-Sweats“ genannt. Wer an einer Schwitzhüttenzeremonie von Wir – Kinder der Erde teilnimmt, trägt als Mann Shorts und als Frau ein Kleid oder ein umgebundenes Tuch.

Wie läuft eine Schwitzhüttenzeremonie ab?

Jedes noch so winzige Detail hat im Rahmen einer Zeremonie eine Bedeutung. So auch bei einer Schwitzhütte. Zunächst wird ein kuppelförmiges Geflecht aus Weidenstämmchen gebaut. Auf dieses Geflecht werden mehrere dicke Decken gelegt, bis eine Art „Iglu“ entsteht. Dieser „Iglu“ repräsentiert den Bauch der Mutter, durch den wir einst in die Welt gekommen sind. Der Eingang liegt so tief, dass man tatsächlich auf Händen und Knien in die Schwitzhütte hineinkrabbeln muss. Wichtig dabei ist, sich am Eingang in Dankbarkeit und Demut zu verneigen und im Inneren der Sweat im Uhrzeigersinn um die kleine Kuhle herum zu krabbeln, in die nachher die glühenden Steine gelegt werden, die die Sweat mit ihrer Hitze füllen. Die innere Haltung eines jeden Teilnehmers soll der eines Kindes entsprechen, eines Kindes, das die Möglichkeit erhält, für eine Weile wieder in den Bauch seiner Mutter zurückzukehren, um wieder so heil zu werden wie es einst im Mutterleib war.

Mehrere Stunden vor einer Sweat wird vor der Schwitzhütte – genau gegenüber dem Eingang – ein Feuer entfacht. Das Entzünden des Feuers stellt bei WIR – Kinder der Erde bereits den Beginn der Zeremonie dar. Im Feuer werden die Steine erhitzt, die in der Sweat ihre Wärme verströmen. Die Steine repräsentieren die Großväter und Großmütter und werden von einem Feuermann oder einer Feuerfrau betreut und versorgt. Dieser Feuerperson kommt eine überaus große Bedeutung zu, denn Feuer ist so lebendig wie die Steine und die Feuerperson selbst. Während der gesamten Schwitzhüttenzeremonie befindet sich die Feuerperson deshalb im Gebet, und ihre Energie findet auch in die Steine hinein. Die Steine glühen hell-orange-rot, wenn sie schließlich mit einer Heugabel in die Sweat gereicht werden. Sie bilden in ihrer Kuhle das Zentrum der Schwitzhütte.

Zwischen dem Eingang der Schwitzhütte und dem Feuer befindet sich eine gedachte Linie, die die spirituelle Verbindung – das energetische Band – zwischen dem weiblichen Schoß und dem männlichen Feuer repräsentiert. Aus diesem Band wird Leben erschaffen, Leben, das sich nicht nur auf neues menschliches Leben bezieht, sondern auf alles was den Charakter von Schöpfung im weitesten Sinne aufweist und von Liebe durchdrungen ist – Liebe zu allem, was ist, denn Liebe ist nicht exklusiv, und in ihrer Essenz besteht sie in nichts geringerem als dem Eins-Sein im Sein.

Eine Schwitzhütte hat mehrere „Türen“

Der Schwitzhüttenleiter begibt sich als erstes in die Schwitzhütte und nimmt rechts vom Eingang Platz. Unterstützt wird er oder sie durch eine erfahrene Person, die ihm während der Zeremonie hilft. Diese Person krabbelt zuletzt in die Schwitzhütte und sitzt dann links vom Eingang. Die übrigen Teilnehmer sitzen rund um die Kuhle im Zentrum zwischen den beiden. Zu diesem Zeitpunkt ist es sehr still in einer Sweat. Der Schwitzhüttenleiter bittet nun um eine bestimmte Anzahl von Steinen, die der Feuermann hineinreicht. Sind alle Steine beisammen, wird noch ein Eimer Wasser mit einer Schöpfkelle gebracht und der Eingang geschlossen. Jetzt ist es stockfinster in der Sweat, denn von außen kann kein Licht durch die Decken dringen. Nur die Steine glühen im Zentrum der Hütte.

Jede Schwitzhüttenzeremonie hat eine bestimmte Anzahl von Runden – im Allgemeinen sind es vier. Diese Runden werden als „Türen“ bezeichnet. Eine Sweat mit „zwei Türen“ hat also zwei Runden. In jeder Runde wird gebetet und/oder gesunden, je nach Tradition, Anliegen und Fokus des Schwitzhüttenleiters. Dabei wird immer wieder Wasser auf die Steine gegeben. Dadurch reichert sich die heiße Luft in der Sweat mit Wasserdampf an. Der Wasserdampf berührt die Haut der Teilnehmer wie Fruchtwasser, mischt sich mit dem Schweiß und „spült“ ihn vom Körper. Außerdem entsteht ein energetisches Feld, in dem Geist und Seele gereinigt und geklärt werden.

Keine Schwitzhütte gleicht der anderen

Wer regelmäßig an Schwitzhütten teilnimmt, stellt bald fest, dass keine Sweat einer anderen gleicht, auch wenn der Rahmen zumeist ziemlich identisch ist. Nach jeder Runde – oder „Tür“ – wird der Eingang der Sweat geöffnet, jeweils können neue heiße Steine hereingereicht werden. Die meisten Sweats haben vier Türen, wird der Eingang dann zum vierten Mal geöffnet, krabbeln die Teilnehmer der Reihe nach wieder auf Händen und Knien aus der Schwitzhütte heraus. Jeder bedankt sich beim anderen, beim Schwitzhüttenleiter und der Feuerperson. Es ist wie eine Art Geburt, und oftmals legen sich die Teilnehmer direkt draußen ins Gras – auf Mutter Erdes Leib – und schauen nachts in den Sternenhimmel oder bei Tag in die Wolken. Es gibt keine festgelegte Tageszeit, wann eine Sweat stattfinden muss. In aller Regel finden sie am frühen Morgen, abends oder nachts statt.

Für viele ist eine Schwitzhütte ein intensiver Prozess, in welchem körperlich spürbar ist, wie Belastungen, Stress, Sorgen und Nöte angenommen und losgelassen werden können. Körper, Geist und Seele sollen sich nach einer Sweat immer leicht und frei anfühlen. Die Verbindung zu den spirituellen Wesenheiten regenerieren, verstärken sich und füllen sich mit dem Gefühl der Liebe und des Eins-Seins mit sich selbst und allem Lebendigen.

Wer neugierig geworden ist, kann bei Wir – Kinder der Erde regelmäßig an Schwitzhüttenzeremonien teilnehmen. Für nähere Infos und Anmeldung schreibt uns einfach unter Kontakt.

Text: Dr. Barbara Deubzer, Foto: Pixabay

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